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Gast-StabiCheck: Friedhof der Kuscheltiere von Stephen King

Dez 31 2022

Für Sie gelesen: "Friedhof der Kuscheltiere" von Stephen King. Hier schildert unser Leser Luis Pintak seine Eindrücke:

Medium: Buch, Jugendbuch und schöne Literatur
Genre: Horror
Altersempfehlung: ab 16, Erwachsene
Umfang: 459 Seiten
Standort: Roman Horror King
Das Medium im Katalog: Verfügbarkeit prüfen


Inhalt:

Hinter dem kleinen Tierfriedhof liegt eine verwünschte indianische Grabstätte.
Ob Katze oder Mensch: Wer hier beerdigt wird, wird zum Albtraum für die Hinterbliebenen.

Horror in Herbstidylle: Vor fast vierzig Jahren erschien Stephen Kings "Friedhof der Kuscheltiere"

Es gibt Menschen, deren Namen unweigerlich mit einer bestimmten Art oder einem bestimmten Thema verbunden werden. In der Spalte der Unterhaltungsromane gibt es mit Agatha Christie die Queen of Crime für Kriminalromane, für Liebesromane vielleicht in etwa Rosamunde Pilcher, für Jugendromane momentan sicherlich Colleen Hoover. Beim Horrorroman ist es kein anderer als Stephen King, der dem Genre eine kräftige Prägung verpasst hat. Romane wie "Friedhof der Kuscheltiere" sind nicht aus den Regalen von Horrorliebhabern wegzudenken. 1983 veröffentlicht, wurde "Friedhof der Kuscheltiere" bereits zweimal verfilmt. Hier soll es neben der Buchbesprechung auch um die Neuverfilmung von 2019 gehen.

Das Cover vermittelt eine düstere Handlung, ganz dunkel ist es und ein unheimliches Katzenauge starrt mich bedrohlich an. Schon oft las ich Romane mit Grusel-Elementen – wenn auch keine Horrorromane –, aber in keinem kam ein Tier oder konkret eine Katze vor. Um eine Katze soll es nun in "Friedhof der Kuscheltiere" mitunter gehen: Der Chicagoer Arzt Louis Creed nimmt eine Stelle auf einer Krankenstation einer Universität in Maine an und zieht mit seiner Familie in ein Landhaus im Dorf Ludlow. Eine beschauliche Gegend, in der sich er und seine Frau Rachel, ihre sechsjährige Tochter Ellie, der zweijährige Sohn Gage samt Schmusekater Church wohl fühlen. Doch da ist eine brutale Schnellstraße, auf der sogar an Feiertagen schwere Lastwagen viel zu schnell lang donnern. Besonders der Nachbar Jud Crandall warnt davor, die Familie solle doch den geliebten Kater im Haus lassen. Und draußen, in einem Wald in der Nähe des Hauses, befindet sich auch noch ein Friedhof, auf dem Dorfkinder einst ihre verstorbenen Haustiere beerdigten. In der Uni muss Louis einen schwerverletzten Studenten behandeln, der später stirbt. Dann passiert es doch: Church wird grausam von einem LKW überfahren. Jud führt Louis daraufhin zu einem separaten Teil des Friedhofs, wo er Church beisetzen soll. Von da an beginnt für Louis und seine Familie eine Fahrt durch den Horror.

Seine Romane werden gefeiert – von Kritikern und Lesenden zugleich. Er steht in einer Tradition von Schauergeschichten, mit Vertretern wie E.A. Poe, Bram Stoker, Mary Shelley und vielen weiteren. Man merkt den Einfluss von seinen Vorgängern und ihre Strukturen: King setzt großen Fokus auf Details und Beschreibungen der Gefühle seiner Figuren, wodurch Louis und seinen ausweglosen Situationen zum Beispiel durchaus nachempfunden werden kann. Die teuflische Spaltung zwischen Bilderbuch-Idylle und verstörendem Wahnsinn gräbt sich tief in die Gedankenwelt der Lesenden. Der Autor bezeichnete es gleichzeitig als sein schlimmstes Buch, denn er verarbeite hier ähnliche Ereignisse, die seiner Familie widerfahren sind, und verändere ihren Ausgang auf erschreckende Weise. Gerade das Thema Familie und die fatale Aufrechterhaltung der Liebe zu ihr machen es deswegen auch wert, den Roman zu lesen. Was mir persönlich während des Lesens allerdings fehlte, ist der Horror selbst. Natürlich ist das Geschmacksache und bleibt jedem selbst überlassen. Was manche spannend finden, ist für die nächsten wiederum nicht sehr spannend (ähnlich urteilt auch King in seinem Vorwort). Während der Satzbau zwar einfach gehalten, aber der Wortfluss stets fortschreitend ist, schiebt King jedoch eklatant wichtige Punkte der Handlung oft unnötig vor sich her. Floskeln wie "am nächsten Tag" oder "einen Monat später" lassen das blanke Entsetzen ausbleiben oder im Plot versacken. Unter Strom gesetzt fühlte ich mich deswegen nicht, sondern eher auf vielen Seiten hingehalten. Das tut dem ganzen aber auch keinen Abbruch – immerhin ist der Roman auch schon fast vierzig Jahre alt. Geschmäcker ändern sich mit der Zeit.

Vor drei Jahren erst erschien dann auch eine Neuverfilmung des Horrorklassikers von Kevin Kölsch und Dennis Widmyer, nachdem bereits in den 1980er-Jahren ein Film entstanden war. In den Hauptrollen der Fassung von 2019 spielen Jason Clarke als Louis, Amy Seimetz als Rachel und John Lithgow als Jud. Man muss bemerken: Stephen King als auch seine Fans waren nie wirklich zufrieden mit den Verfilmungen seiner Werke. Mit dem Film "Shining" mit Jack Nicholson in der Hauptrolle war der Autor sogar so unzufrieden, dass er später ein eigenes Drehbuch verfasste. Tatsächlich ist die vorliegende Verfilmung von "Friedhof der Kuscheltiere" gar nicht so schlecht, auch wenn die 400-Seiten-lange Vorlage in nur etwas mehr als neunzig Minuten zusammengestaucht wird. Auch hatte ich den Eindruck, dass das Drehbuch den schmalen Grat zwischen Düsterheit und familiärer Stimmung nicht immer beherzigt – manchmal wirkt die Farbe, als sei ein falscher Filter benutzt worden. Die Gefährlichkeit der Schnellstraße ist dafür umso einprägsamer und bedrückender als asphaltgraues, tödliches Objekt in waldiger Landschaft.

Wahrscheinlich, um der Handlung mehr Pep zu verleihen, entschieden sich die Macher für Handlungsänderungen gegenüber der Vorlage. Eine längere Liste an wichtigen Details wurden einfach ausgelassen. Juds Frau Norma ist bspw. bereits verstorben, während sie im Roman erst im Verlauf der Handlung stirbt. Im Roman verwandeln sich die beerdigten Tiere in träge, unangenehm riechende Geschöpfe ohne charakterlichen Wiedererkennungswert, während sie im Film nach ihrer Wandlung ein hoch aggressives Verhalten an den Tag legen. Besonders unverständlich ist allerdings der Rollentausch der Kinder Ellie und Gage im letzten Abschnitt des Films gegenüber dem letzten Teil des Romans. Diese Maßnahme war eigentlich unnötig und führt eher zu einer Abmilderung des wohl angestrebten psychologischen Effekts im Roman. Ärgerlich ist auch die Auslassung der Geschichte des jungen gefallenen Soldaten aus dem Dorf, die Jud Louis erzählt, da diese Louis folgenreiche Ideen geben. Überhaupt werden viele von Juds Erzählungen nur in knappen Zügen berichtet. Louis’ und Juds Vater-Sohn-ähnliche Beziehung wird nicht weiter inklusive allabendliches Biertrinken geht weitestgehend unter. Louis’ eher gespaltenes Verhältnis zu seinem Schwiegervater wird ebenfalls nicht thematisiert; die Schwiegereltern kommen auch nur ganz am Rande vor. Zu loben ist allerdings die Darstellung von Horror-Elementen: Schön beklemmend und leicht gruselig wird es im zweiten Teil, schon vorher lauern Flashbacks überall. Der vernebelte Friedhof ist ein Genuss und Rachels Schwester Zelda verkörpert einen Alptraum in persona. So habe ich sie mir vorgestellt und noch grauenhafter sind ihre Auftritte geworden.



 

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